Fachbeiträge
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Plötzlich Risikogebiet; Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bei rechtmäßiger Quarantäne-Anordnung des Arbeitgebers
In den Fällen der plötzlichen Risikogebiet-Einstufung eines Urlaubsgebiets stellt sich für den Arbeitnehmer und für den Arbeitgeber die Frage, ob ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Dies insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert sich für eine bestimmte Zeit in Quarantäne zu begeben. In der vom Arbeitsgericht Dortmund (ArbG Dortmund, Urteil vom 24.11.2020 - 5 Ca 2057/20) entschiedenen Fall hatte das Arbeitsgericht über einen solchen Fall zu entscheiden.
Der Klage des Arbeitnehmers auf Fortsetzung der Vergütung gab das Arbeitsgericht statt und bejahte einen Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 615 Satz 1 und 3 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre.
§ 615 Satz 3 BGB regelt, dass in Fällen in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt, der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen darf.
Das Arbeitsgericht Dortmund geht davon aus, dass „im Fall einer Quarantäneanordnung der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der gesetzlichen Risikoverteilung nur dann nach §§ 275, 326 Abs. 1 BGB von der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung frei wird, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde beispielsweise eine Betriebsschließung oder eine Quarantäne einzelner Arbeitnehmer anordnet“ (ArbG Dortmund, Urteil vom 24.11.2020 - 5 Ca 2057/20).
Mangels einer behördlichen Quarantäneanordnung nimmt das Arbeitsgericht zu Gunsten des Arbeitnehmers an, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt: „Beschließt nämlich ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb, seinen Betrieb zu schließen oder einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der sonstigen Belegschaft in "Quarantäne" zu schicken, trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko. Dies gilt nach den dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen selbst dann, wenn die Störung - wie im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2 - nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt“ (ArbG Dortmund, Urteil vom 24.11.2020 - 5 Ca 2057/20).
Anmerkung:
In der hier besprochenen Entscheidung nimmt das Arbeitsgericht an, dass im Falle einer plötzlichen Risikogebiet-Einstufung und einer daraufhin erfolgenden Quarantäneanordnung hin der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt. Das Arbeitsgericht schließt es jedoch nicht aus, dass eine andere Risikoverteilung erfolgen kann, wenn „der Arbeitgeber mit der Anordnung der Quarantäne oder Betriebsschließung nichts zu tun hat und diese durch die zuständige Gesundheitsbehörde vorgenommen wird“ oder „wenn der Arbeitnehmer, (…), quasi sehenden Auges entgegen einer Einstufung des RKI ein Risikogebiet aufsucht, um dort Urlaub zu machen“ (ArbG Dortmund, Urteil vom 24.11.2020 - 5 Ca 2057/20).
Ausgehend hiervon dürfte das Betriebsrisiko des Arbeitgebers entfallen, wenn sich ein Arbeitnehmer in ein Risikogebiet begibt und für die Rückreise eine Quarantänebestimmung durchgreift.
In solchen Konstellationen wäre der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig, da er sich aufgrund der angeordneten Quarantänebestimmungen in Quarantäne zu begeben hätte und somit nicht in der Lage wäre die Arbeitsleistung zu erbringen. Demnach würde auch sein Gegenanspruch auf Vergütung entfallen. Für die Anwendung der Betriebsrisikolehre wäre kein Raum, da die erforderliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (Erbringung der Arbeitsleistung) nicht anzunehmen ist.